Grenzenlose Gedanken - 07.10.2005

"Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt."

Dieses Zitat stammt von Ludwig Wittgenstein und es drückt aus, wieso ich zu meiner genannten These komme.

Am Anfang möchte ich noch einmal auf Kant zurückkommen. Er sagte:
"Gedanken ohne Inhalt sind leer. Anschauungen ohne Begriffe blind."
Dies bringt zum Ausdruck, dass all unsere Erkenntnis und unser Denken eng mit der Sprache verbunden sind.
Mit anderen Worten: alles was ich erdenken kann, kann in Sprache ausgedruckt werden und alles was in Sprache ausgedrückt wurde, wurde erdacht (von eben dem, der es ausspricht) bzw. kann sich vorgestellt werden (von Zuhörern). Durch Ludwig Wittgensteins Ausspruch stellt sich nun die Frage, ob die Gedanken und das Erkennen nur mit Hilfe der Sprache ablaufen können. Schon Kant hat eindrucksvoll gezeigt, dass dies tatsächlich so ist und zur Verdeutlichung möchte auch ich ein Beispiel anführen:

Nehmen wir also an, wir besäßen keine Sprache und keine Begriffe. Was würde es mir dann nutzen, wenn ich z.B ein Auto sähe, aber nicht wüsste, dass es eins wär und ich auch überhaupt nicht - in keinster Weise - beschreiben kann, was es ist und ihm somit keinen Namen geben kann? Ziemlich wenig. Ich habe zwar das Bild eines Autos in meinem Kopf, kann damit aber nichts anfangen.

Ähnlich ist es mit allen Gedanken - was kann ich denn erdenken, ohne Begriffe oder Bilder zu nutzen die auf Erfahrungen oder Erkenntnissen beruhen, die ich irgendwann zuvor gemacht habe - oder mir selbst abgeleitet habe? Auch ziemlich wenig. Eigentlich nichts. All unser Denken ist also untrennbar mit begrifflicher Zuordnung verbunden.
Da auch die Realität, die "Welt", ein Abbild in unserem Geist erzeugt, das wir mit Begriffen belegen und beschreiben können, lässt sich schlussfolgern, dass die Grenzen unserer Sprache die Grenzen unserer Welt (im Geiste) definieren. Wofür ich keine Begriffe habe und keine finde, was ich nicht beschreiben und benennen kann, ist für mich "unfassbar" und "unvorstellbar".

Dieser Gedankengang führt mich zu einer weiteren, eng mit dieser im Zusammenhang stehenden These: Unsere Gedanken sind unbegrenzt - weil sie begrenzt sind!

Auf den ersten Blick erscheint dies doch in zweierlei Hinsicht widersprüchlich. Zum einen für sich selbst betrachtet und zum anderen wenn man den Satz in Verbindung mit Wittgensteins Zitat sieht. Wurde nicht gezeigt, dass meine Welt Grenzen hat? Wie kann sie da unbegrenzt sein?

Versuchen Sie zur Verdeutlichung einfach mal sich etwas zu überlegen, dass wir nicht erdenken könnten.
Sie werden zwangsläufig scheitern, denn bei dem bloßen Versuch gibt einen grandiosen "Fehler im System". Wir können nichts erdenken, was wir nicht beschreiben können, also können wir auch keine Grenzen festlegen. Sobald ein Mensch eine Grenze festlegen kann (Bsp: "Wir können uns kein schwarzes Loch vorstellen!") überschreitet er doch selbst die von ihm festgelegte Grenze. Er musste sich Etwas erdenken, was man angeblich nicht erdenken kann. Ein Widerspruch in sich. Womit bewiesen wäre, dass keine Grenzen unseres Denkens festgelegt werden können. Da unsere Sprache und unsere Vorstellung beschränkt sind, kann nicht beschrieben werden, was nicht erdacht werden kann.

Ihnen ist trotzdem ein Gegenbeispiel eingefallen? Etwas das man begrifflich fassen, sich aber nicht vorstellen kann? Zum Beispiel etwas Mathematisches?

Der Grenzwert von (2x²+4)/x² geht im Unendlichen gegen 2.

Unendlichkeit? Kann man sich das vorstellen? Nicht direkt, aber man kann es begrifflich fassen und kann daher versuchen es sich vorzustellen. Manch einer denkt vielleicht an Warp-Geschwindigkeit, manch anderer an 2 Parallelen die sich nie schneiden usw. Ob dies "Unendlichkeit" an sich zum Ausdruck bringt, spielt keine Rolle, denn keine 2 Menschen denken bei einem beliebigen Begriff an ein und das selbe. Sage ich Stuhl denkt der eine an eine bestimmte Sitzgelegenheit und ein anderer an verdauliche Rückstände. Also ist der Gedanke an "Unendlichkeit" genauso manifestiert, wie der an "Stuhl".

Wittgensteins Zitat und meine These lassen sich also so zusammenfassen: Natürlich ist unser Denken beschränkt, da es an unsere Sprache gebunden ist und letztere beschränkt ist. Da aber jede Festlegung einer Grenze von Nichterdenkbarem eine Vorstellung eben dieser Sache enthalten müsste, sind die Grenzen außerhalb einer begrifflichen (und somit einer gedanklichen) Fassbarkeit.


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